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Moordorf

Die Ära der Gemeinde Moordorf währt gerade 100 Jahre. 1827 vom Amt Neustadt zur Landgemeinde erhoben, legt das Preußische Staatsministerium am 13. Oktober 1928 die kleine Bauernsiedlung mit dem Gutsbezirk Poggenhagen zusammen.

Die Geschichte Moordorfs beginnt jedoch schon um 1750. Zu dem Zeitpunkt ist die Urbarmachung von Moor mit der Gewinnung des Heizmaterials Torf und der anschließenden Schaffung von Kulturland zur Nahrungsmittelerzeugung im Moor reichen Nordwesten Deutschlands eines der großen Vorhaben. Auch das Neustädter Moor, das bis zum Steinhuder Meer reicht, soll besser genutzt werden. Den Amtsleuten missfällt es zudem, dass Torfstich unprofessionell erfolgt und alte Kuhlen zurück bleiben.

Planungshilfe holt man sich aus dem Bremischen: Moorexperte Banse entwirft einen Plan und schlägt 1751 vor, 20 Familien rechts und links an einem Entwässerungsgraben zu siedeln. Sie sollen jeweils ca. 30.000 m² Ödland bekommen und Ackerbau und Viehzucht betreiben (siehe nebenstehende Legende von 1751). Bei einem Moorvergleich zwischen Amt Neustadt, Stadt Neustadt und Rittergut Poggenhagen (Rezess von 1753) werden die Flächen und Grenzen festgelegt und Stadt und Gut für ihr Land abgefunden. Unstimmigkeiten bleiben ‐ Prozesse folgen.

Der von den Moorbauern zu entrichtende Erbzins von drei Talern jährlich ist bei den kargen Einnahmen hoch. Daher gehen bis 1760 nur drei Kolonisten das Wagnis ein. 1780 kommt ein weiterer hinzu. In der preußischen Landesaufnahme von 1782, (siehe Karte rechts), sind die Moorhäuser erstmals verzeichnet.

Nach Anweisung eines Moorvogts, der im Moorkrug wohnt, gehen die Bauern im Frühjahr im Moor dem Torfstich nach. Sie halten ein paar Hornviehcher und arbeiten als Tagelöhner auch noch auf dem Gut Poggenhagen, dessen Schafhüte‐Flächen direkt an die Kolonie grenzen. Triste Katen stehen in der Moorkolonie nicht, im Gegenteil: in den solide gebauten kleinen Vierständer‐Häusern mit 90 bis 100 m² Grundfläche lebt die meist mehrköpfige Familie mit ein paar Kühen, Kälbern und Pferden unter einem Dach. Da der Weg nach Neustadt in die Schule zu weit war, gründeten die Kolonisten 1790 eine eigene Schule. Der Lehrer ging reihum von Haus zu Haus. Leben konnte er von dieser Tätigkeit nicht. 1828, mittlerweile hatten sich weitere Kleinbauern Richtung Moorkrug angesiedelt, baute der Brinksitzer Heinrich Dangers auf seinem Hof ein kleines Haus und vermietete es für 8 Taler zu Unterrichtszwecken.

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1914 erhält Moordorf eine neue Volksschule. Geleitet wird sie mehr als 20 Jahre von Fritz Blume. (© Familienarchiv Jonetat)

Die Moordorfer konnten jedoch diese Miete nicht aufbringen und man versuchte, durch Heranziehen der Poggenhagener Kinder, also die des Gutes, den Schulbesuch zu verbilligen. Das schlug fehl. 1840 zieht die Schule in ein Haus eines Bauern Kiel. Zu dem Zeitpunkt leben hier 64 Einwohner in 9 Häusern. Die erste offizielle Schule wird 1860 am heutigen Schiffgraben, nahe der 1847 in Betrieb genommenen Bahnlinie, erbaut. Ein neues, viel größeres Gebäude wird 1914 errichtet. Rund 15.000 Mark ließ sich die Gemeinde das Haus kosten. Es gilt als vorbildlich im 1885 gegründeten Landkreis Neustadt und bietet auch komfortablen Wohnraum für den Lehrer.
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Nach einem von Banse 1751 aufgestellten Plan sollten zwanzig Moorkolonisten rechts und links des „Moorcanals“ siedeln. (© Landesarchiv Hannover)

Der Wohnstandort Moordorf ist begehrt. Schon im Jahr 1886 gibt es 23 bewohnte Häuser. 74 männliche und 67 weibliche evangelische Personen leben hier. Um 1870 reifen auch die Pläne für eine neue Verbindungsstraße von Neustadt nach Wunstorf, die die Landgemeinde Moordorf durchschneiden wird (heutige B442). Die Straße soll Ersatz sein für die alte Verbindung (u.a. „Alter Postweg“), die aufgrund des Eisenbahnbaues Anfang der 1840 er Jahre für Pferdefuhrwerke immer gefährlicher wird. 1872 finden Verhandlungen mit den Grundbesitzern statt. In den 1920er Jahren war Moordorf eine moderne Gemeinde geworden. Dazu trägt vor allem die Ansiedlung des Torfverarbeitungsunternehmens Dyckerhoff bei. Dort finden nicht nur viele Moordorfer eine feste Anstellung, sondern auch Auswärtige, die sich nach und nach hier oder im benachbarten und zu Neustadt gehörenden Hachland ansiedeln. Viele von ihnen gehören zu den Gründern von Schützenverein, Fahrradverein und Feuerwehr.

Moordorfer Brink

Brinkplan von 1888 (© Landesarchiv Hannover)

Wir befinden uns hier am fast in Vergessenheit geratenen Moordorfer Brink. Öffentliche Plätze oder der Gemeinheit gehörende Viehweiden wurden früher als Brink bezeichnet. Unser Brink lag am Kreuzungspunkt von Moorentwässerungsgraben und Verbindungsweg von Neustadt Richtung Poggenhagener Moor. Er gilt als Keimzelle des alten Moordorfs. Von hier aus begann ab 1750 die Moorkolonisation, die ersten Moorbauern ließen sich nieder.

1888 sollte der im Staatsbesitz befindliche 775 m² große Platz veräußert werden. Die Bauern (jeder hatte nach Größe seines Hofes entsprechendes Stimmrecht) beauftragten Ortsvorsteher Hecht, das Areal zu erwerben. Er gab für die Gemeinde Moordorf mit 60 Mark das höchste Gebot ab.

Mit Schreiben vom 17. November 1888 erteilte das in Berlin ansässige preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten der Landgemeinde den Zuschlag. Am 26. Januar 1889 erfolgte die Kaufvertragsunterzeichnung.

Am Brink wurde nicht nur ein kleines Spritzenhaus für die Feuerwehr errichtet, mit zunehmender Technisierung droschen die Bauern hier ihr Getreide. Für die in Wunstorf neu errichtete Genossenschaftsmolkerei entstand eine Milchkannen‐Sammelstelle.

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Im Poggenhagener Gemeindebüro hier am Brink, gleichzeitig Standesamt, ließen sich bis 1963 viele Ehepaare trauen. (© Familienarchiv Schmidt)

Auf der Hofstelle Nr. 5 errichtete Bürgermeister Friedrich Meyer in den 1930‐er Jahren ein Gemeindebüro. Bis zur Umsiedlung in das neue Gemeindebüro neben der Schule im Jahr 1963 fanden hier auch viele standesamtliche Trauungen statt.
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An den Moordorfer Brink erinnert seit 2015 ein Findling, gestiftet von Anlieger Friedrich Domeyer. (© Kultur‐ und Verschönerungsverein)